Vive l’Europe! #54 – … „Österreichaufschlag“ – Todsünde des EU-Binnenmarktes

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„… ich wohne in der Nähe der Grenze zu Italien und dieses Produkt hier kostet in Österreich 15,20 Euro. Wenn ich nach Italien rüberfahre, dann zahle ich für den gleichen Artikel lediglich 7,40 Euro, also die Hälfte. Und das ist bei vielen anderen Produkten ähnlich – warum ist das so?“

Avstrijski potrošniki že dolgo plačujejo višje cene za številne blagovne znamke kot sosedje v Italiji ali Nemčiji. Razlog ni v geografski legi države, temveč v t. i. „avstrijskem pribitku“ oziroma teritorialnih omejitvah dobave. Gre za strategijo mednarodnih koncernov, ki za manjše trge, kot je avstrijski, določajo višje veleprodajne in s tem tudi višje končne cene.

Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis gezielter Preispolitik. Das Stichwort dazu lautet: „Österreich-Preisaufschlag“ auch als „territoriale Lieferbeschränkungen“ bezeichnet und sorgt dafür, dass heimische Konsumenten etwa bei Markenartikeln oft deutlich überhöhte Preise bezahlen müssen. Und das nicht nur in den Grenzregionen, sondern in der gesamten Volkswirtschaft. Die Ursache: Die Großhandelspreise sind bei der Beschaffung in kleineren Ländern wie Österreich im Regelfall signifikant höher. Die Händler müssen zurzeit beim Einkauf von Produkten um bis zu 60 Prozent höhere Preise bezahlen als etwa Händler von größeren EU-Staaten. Die Zeche zahlen letztlich die Konsument:innen, die für Alltagsgüter wie Lebensmittel, Kosmetik oder Reinigungsmittel deutlich mehr zahlen. Diese Praxis wird als „reines Körberlgeld“ für die multinationale Markenartikelindustrie verurteilt und von der Wirtschaftsjuristin Susanne Wixforth als eine der „Todsünden des Binnenmarktes“ bezeichnet. Einen fairen Ausgleich fordern die EU-Abgeordneten Helmut Brandstätter (NEOS), Reinhold Lopatka (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) in einer schriftlichen Eingabe an die EU-Kommission.

Vertiefende Einblicke zu dieser unfairen Preisgestaltung liefert die Wirtschaftsjuristin Susanne Wixforth:

Es geht eigentlich darum, dass große Unternehmen die Geschäftspraxis verfolgen, für bestimmte Gebiete unterschiedliche Endverkaufspreise festzulegen. Und das sind vor allem Unternehmen, die starke Marken haben, wo der Lebensmittelhandel oder der Handel nicht umhinkommt, sie auch im Sortiment zu führen. Also ich denke da an starke Marken wie Coca-Cola, die Marken von Nestle, Manner, Maggi usw. Und das Ergebnis von dieser Praxis ist, dass man in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten für dieselben Produkte unterschiedliche Preise findet. Und das bedeutet in concreto auf Österreich bezogen, dass in Österreich Markenprodukte teilweise deutlich teurer sind als beispielsweise in Deutschland. Ich kann Beispiele nennen für Schnitten, also zum Beispiel Manner-Schnitten, antialkoholische Getränke, Hartwürste, die in Deutschland rund 20 Prozent billiger sind als in Österreich. Ganz großer Ausschlag war als Beispiel von Cremissimo Vanilleeis, das war sogar 100 Prozent teurer als in Österreich.

Die Auswirkungen, die sich damit für die Konsumentinnen und Konsumenten ergeben, bezeichnet Wixforth so:

Die Auswirkungen für die Konsumentinnen sind ganz klar. Nachdem er, der Markenartikler für den Lebensmittelhandel die Endverkaufspreise festlegt, in den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten heißt das, dass das in bestimmten Ländern mehr kostet und in anderen weniger, wie wir ja gerade besprochen haben. Die Beispiele also Österreich-Italien, Österreich-Deutschland. Es sind aber auch andere Länder wie zum Beispiel Griechenland oder Belgien, Holland betroffen. All diese Länder haben sich auch bereits bei der Europäischen Kommission beschwert, denn wir haben ja eigentlich einen europäischen Binnenmarkt? Und da müsste man davon ausgehen, dass die Preise ziemlich gleich sind. Natürlich gibt es Unterschiede nach Entfernung. Kann sein, dass es einen kleinen Aufschlag gibt, aber diese Preisunterschiede kann man nicht erklären durch geographische Verhältnisse oder Entfernungen.

Es wurde bereits angesprochen: Österreich ist – als kleineres EU-Land – kein Einzelfall. Und auch Mitgliedstaaten wie Belgien oder Griechenland haben diese Preispraxis kritisiert. Nun hat sich unter den österreichischen Delegationssprechern im EU-Parlament eine Koalition zusammengefunden, die den sogenannten „Österreichaufschlag“ aktiv bekämpfen möchte – der Sprecher dieser Initiative, EU Abgeordneter Andreas Schieder, verdeutlicht das Anliegen:

Wir haben uns als Abgeordnete der SPÖ, ÖVP und der NEOS dazu entschlossen, auch eine Eingabe bei der Europäischen Kommission zu machen, nämlich dass die Europäische Kommission aktiv wird, diesen unfairen Österreichaufschlag zu überprüfen und gegebenenfalls auch mit entsprechenden Maßnahmen zu bekämpfen. Denn warum ist das auch eine europäische Angelegenheit? Es ist letztlich so, dass der europäische Binnenmarkt dann nicht funktioniert, wenn einzelne Konsumenten unfairerweise mehr bezahlen müssen als andere. Und sehr oft trifft es die Konsumentinnen und Konsumenten von kleineren und mittleren Ländern, wie zum Beispiel in Österreich, aber auch in Belgien und anderen Ländern gibt es Hinweise, dass dieser Zustand so negativ ist.

Wir erwarten uns, dass die Europäische Kommission in ihrer Zuständigkeit für einen funktionierenden und fairen Binnenmarkt, in ihrer Zuständigkeit für die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher da zu sein, reagieren wird. Und wie kann sie reagieren? Erstens die Lage noch einmal wissenschaftlich mit Zahlen, Daten, Fakten aufbereiten, dass man auch sieht, wie groß dieser Österreichaufschlag ist. Zweitens aber auch an die Konzerne herantreten und durch Erklärungen von ihnen nicht nur zu verlangen, warum sie diesen Aufschlag einnehmen, sondern letztlich auch zu erwirken, dass sie das nicht mehr tun. Und letztlich gibt es natürlich auch Handlungsmöglichkeiten, die dann auch in Strafverfahren und dergleichen abzielen. Aber jetzt geht es einmal darum, das Bewusstsein zu schärfen und den Unternehmern, die mit diesem Österreichaufschlag ein Körberlgeld verdienen, auch das klare Signal zu geben: Wir lassen uns das nicht länger gefallen.

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, die sich durch die Abschaffung von territorialen Lieferbeschränkungen ergeben könnten, würden laut einer Studie – im Auftrag der EU-Kommission – Einsparungen von bis zu 14 Milliarden Euro pro Jahr für Verbraucherinnen und Verbraucher innerhalb der EU bringen. Das wäre sicherlich ein bedeutender Beitrag zur Entlastung der Haushalte in Zeiten hoher Inflation.

Ein interessantes Detail, aus der gemeinsamen Anfrage der österreichischen EU-Abgeordneten Helmut Brandstätter (NEOS), Reinhold Lopatka (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) an die EU-Kommission, bezieht sich auf den Bericht des italienischen Abgeordneten Enrico Letta zur „Zukunft des Binnenmarktes“. Darin heißt es:

In der Binnenmarktstrategie des 21. Mai 2025 identifizierte die Kommission TSC [ Anm. Territoriale Lieferbeschränkungen sind gemeint] als eines der „Terrible Ten“ Hindernisse zur Vervollständigung des Binnenmarkts. Auch der Initiativbericht des Europäischen Parlaments über die Umsetzung und Straffung der EU-Binnenmarktvorschriften zur Stärkung des Binnenmarkts [A10-0151/2025] fordert Maßnahmen zur Beseitigung von TSC [territoriale Lieferbeschränkungen].

Und auch die Wirtschaftsjuristin der österreichischen Arbeiterkammer sieht in dieser Preispraxis der Konzerne eine der „Todsünden des Binnenmarktes“, …

… das heißt auf Englisch „The terrible ten“, also die schrecklichen Zehn. Und ich würde sagen, das ist eine der Todsünden im Binnenmarkt, denn der Binnenmarkt verspricht ja den Bürgerinnen, dass es ein einheitlicher Markt ist. Und das funktioniert für Unternehmen im Steuerbereich, in der Dienstleistung und der Niederlassung. Freiheit – ja, aber für die Konsument:innen in diesem Fall nicht. Und deshalb sagt auch die Kommission, das ist eine der schrecklichen zehn Todsünden des Binnenmarkts.

Es stellt sich abschließend noch die Frage, wie erfolgreich wird die Umsetzung der Initiative durch die drei Delegationsleiter von NEOS, ÖVP und SPÖ eingeschätzt – Wixforth meint:

Also ich gehe davon aus – steter Tropfen höhlt den Stein. Ich kann ein konkretes Beispiel bieten, was das beweist, nämlich, die Arbeiterkammer war gemeinsam mit der Wettbewerbsbehörde und mit dem Bundesgremium für Lebensmittelhandel, also die Wirtschaftsseite bei der Europäischen Kommission, und hat vorgebracht, dass das so nicht geht, dass die Bürgerinnen das in ihrem Alltag zu spüren bekommen, dass dieser Binnenmarkt für sie nicht funktioniert. Und das erste Ergebnis war ja schon, dass im Frühjahr in der Binnenmarktstrategie diese territorialen Lieferbeschränkungen als eine der Todsünden im Binnenmarkt festgehalten wurden. Also die „terrible ten´s“, ein Punkt davon war es.

Dann hat der griechische Ministerpräsident an die Europäische Kommission geschrieben, dass das nicht akzeptabel ist, dass in Griechenland die Preise deutlich teurer sind als in den anderen Mitgliedstaaten. Und dasselbe haben Belgien und Holland gemacht. Und schließlich vor dieser gemeinsamen Eingabe muss man ja auch erwähnen, dass der Minister Hartmannsdorfer gemeinsam mit der Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde auch so einen Brief an die Kommission geschrieben hat und gefordert hat, dass jetzt die Europäische Union tätig werden muss. Also das passt alles. Und jetzt ist noch das Parlament dran und ich gehe davon aus, dass die Kommission jetzt sich dazu etwas überlegt. Wir haben ja auch einen konkreten Vorschlag dazu gemacht. Also das heißt, man hat auf europäischer Ebene, aber auch auf österreichischer Ebene Hebel, die man jetzt dringend ansetzen muss, weil, wie gesagt, das sind Dinge, die den Österreicher und die Österreicherin im täglichen Leben betrifft.

Multinacionalke zavestno določajo različne cene za iste izdelke v posameznih državah EU. To krši načelo enotnega evropskega trga, pojasni Susanne Wixforth, odvetnica za gospodarsko pravo pri dunajski Delavski zbornici in sodnica porotnica na Zveznem upravnem sodišču. V Avstriji so številni izdelki – od živil do kozmetike – občutno dražji kot v sosednjih državah, med močnimi blagovnimi znamkami, ki višajo cene, so na primer Coca-Cola, Nestlé in Manner.
Evropski poslanci Helmut Brandstätter (NEOS), Reinhold Lopatka (ÖVP) in Andreas Schieder (SPÖ) so zato vložili pobudo pri Evropski komisiji, naj to prakso preuči in ukrepa proti podjetjem, ki z „avstrijskim pribitkom“ neupravičeno služijo.

S takšnim pribitkom se soočajo tudi druge manjše države, kot sta Grčija in Belgija, ki prav tako močno kritizirata to prakso.
Po ocenah študij bi odprava teritorialnih omejitev evropskim potrošnikom lahko prihranila do 14 milijard evrov letno. Evropska komisija je ta pojav že označila za enega izmed „desetih smrtnih grehov“ enotnega trga.

Pobuda avstrijskih poslancev in podpora drugih držav kažeta, da se pritisk v Bruslju povečuje – in bo morda dosegel bolj pravične cene za vse evropske potrošnike, zaključi Susanne Wixforth.

 

Kurzbiografien:

Mag. Susanne Wixforth ist Wirtschaftsjuristin und seit 2022 stellvertretende Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer Wien. Diese vertritt sie u.a. in der Wettbewerbskommission und als Laienrichterin im Bundesverwaltungsgericht. Zuvor war sie für internationale und europäische Gewerkschaftspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) tätig.

Mag. Andreas Schieder ist seit 2019 EU-Abgeordneter und leitet die SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Verkehrs- und Tourismuspolitik. Als Berichterstatter für das EU-Beitrittsland Albanien setzt er sich für eine europäische Perspektive des Westbalkans ein. Zugleich ist er das einzige österreichische Mitglied im Wohnausschuss und bringt dort eine starke Wiener Perspektive ein. Als Koordinator der sozialdemokratischen Fraktion spielt er eine zentrale Rolle dabei, europäische Antworten auf die Wohnungskrise zu finden.

Foto unter: https://andreas-schieder.at/ueber-mich/

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