Aufstand und Fälscherleben

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Ein wertvolles Zeitzeugnis

In der ersten Ausgabe von BÜCHERWAHL beschäftige ich mich mit einem Roman und einem Sachbuch. Dem Roman „Aufstand“ von Fabian Eder (2013 bei Baumüller erschienen) und der Biographie „Adolfo Kaminsky – Ein Fälscherleben“ verfasst von dessen Tochter Sarah Kaminsky. Die deutsche Übersetzung des 2010 in Frankreich erschienenen Originals besorgte der Verlag Antja Kunstmann aus München.

Zuerst zum Roman „Aufstand“ verfasst vom 1963 in Wien geborenen Kameramann. Autor und Regisseur Fabian Eder. Der Roman spielt im heutigen Wien und ist eine rasant erzählte Geschichte zwischen Krimi, Farce und fantastischem Realismus. Eder entwirft in diesem Roman ein für ihn wohl idealtypisches Wiener Milieu. Eine Buchhändlerin deren Geschäft mehr schlecht als recht läuft, der es aber vor allem darauf ankommt mit der Buchhandlung einen sozialen Ort zu betreiben, an dem sich die Linksintellektuellen des Gretzls treffe können um beispielsweise Fußballländerspielen beizuwohnen.

Ein pensionierter Straßenbahnfahrer der als eine Art WALOLISO einem unglaublichem Skandal um die geplante Privatisierung des Wiener Wassers auf die Schliche kommt – weshalb er auch von dunklen Mächten verschleppt wird. Dieser wird nun von der Buchhändlerin fieberhaft gesucht. Das ist der Ausgangspunkt von dem aus man immer weiter in die Verschwörungen und Verstrickungen des geplanten Wasserverkaufs vordringt. Von Verfolgungsjagden über (fast) totale Überwachung und einem spontanen Volksaufstand findet sich alles in diesem Roman. Neben dieser wirklich gut erzählten Kriminalgeschichte lebt der Roman vor allem von der genauen Milieuschilderung einer „Wiener Szene“ die ein wenig ins Idealistische kippt. Diese Schilderungen sind es vor allem, die dem Roman angenehme Wärme entströmen lassen. Man liest gerne wie sich die Leute mögen und wie sie einander beistehen. Auch hier – und das ist eine sehr bemerkenswerte Verknüpfung – erfährt man auf der emotionalen Ebene einen Gegenentwurf zum Neoliberalismus den die ProtagonistInnen des Romans bekämpfen.

 

Im zweite Buch, „Adolfo Kaminsky – ein Fälscherleben“ (erschienen 2011 im Verlag Antja Kunstmann) beschreibt Sarah Kaminsky das Leben ihres Vaters. Auf etwas mehr als schnell gelesenen 200 Seiten wir ein Leben erzählt, dass man so kaum erfinden würde. Zu fantastisch, zu unwahrscheinlich erscheint es. Adolfo Kaminksy begann mit 14 eine Färberlehre in Paris und entwickelte schon früh eine Hinwendung zur Chemie. Nach der Eroberung weiter Teile Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht, 1940, wurde die jüdische Familie Kaminsky interniert. Adolfo gelang aber die Flucht und er schloss sich 1943 der Résistance an. Kaminsky begann gefälscht Papiere herzustellen um jüdischen MitbürgerInnen die Flucht zu ermöglichen. Dadurch rettete er tausenden Menschen das Leben „Wach bleiben, so lange wie möglich. Die Müdigkeit niederringen. Die Rechnung ist einfach: In einer Stunde kann ich 30 falsche Ausweise herstellen. Wenn ich eine Stunde schlafe, sterben 30 Menschen …“.

Nach dem Sieg über den Nationalsozialismus blieb Kaminsky allerdings im Untergrund und half zunächst überlebenden JüdInnen mit gefälschten Papieren zur Einreise nach Palästina. Später versorgte er verschiedene Widerstandsbewegungen mit falschen Papieren und Identitäten. Vom Algerienkrieg und den südamerikanischen Befreiungsbewegungen bis zu den Aufständen gegen europäische Diktatoren unterstützte Kaminsky Verfolgte und Aufständische mit seiner Fälscherkunst. 1971 zog er sich dann davon zurück und begann in Algerien sein „Bonusleben“ – wie er es nannte. Gründet eine Familie und kehrt 1982 mit dieser nach Frankreich zurück. Seine Tochter, Schauspielerin und Autorin, hat in zahlreichen Gesprächen das wechselreiche Leben ihres Vaters festgehalten und in diesem Buch aufgezeichnet.

 

 

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