akin-Radio: Glosse: National gefeiert

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Glosse aus akin 22/2018

Printfassung:

National gefeiert

Der heurige Nationalfeiertag war schon ein bisserl sehr speziell — sicher,
großteils the same procedure like every year, aber die Details waren
auffällig anders. Der Kanzler ist ein Schwarzer, der ein Türkiser sein will.
Dem fällt sogar zum Republiksjubeltag nichts anderes ein, als daß es die
vorrangigste Aufgabe der Regierung sei die „ilegale Migration zu stoppen“.
Dann haben wir heute einen Heeresminister, der behauptet, seine Parteifarbe
sei Blau. Ein ehemals grüner Bundespräsident erklärt hingegen, daß das
Bundesheer aufgerüstet werden müsse. Dieses indes geniert sich in der Wiener
Innenstadt noch weniger bei der Kinderindoktrination und präsentiert grüne
Panzerluftballons — und meint in Graz sogar Kampfhandlungen nachstellen zu
müssen. Der neue oberste General betont bei der Gelegenheit mit Verve, daß
es endlich damit vorbeisein müsse, das Bundesheer als Katastrophenhilfswerk
zu sehen, sondern als richtiges Militär anerkannt werden müsse, dessen
primäre Aufgabe das sein solle, was offiziell so unter „Landesverteidigung“
firmiert . Und über dem ganzen Event schwebte die Aura, daß es demnächst
hundert Jahre her ist, daß die Republik ausgerufen worden ist.

Aber was feiern wir da eigentlich am Nationalfeiertag? Die Frage war wohl
auch jenen „Patrioten“ nicht ganz klar, die da auch in der Wiener City
aufmarschierten. Das Publikum schwenkte rotweißrote Fahnen, die
Rednertribüne war schwarz-gelb mit Doppeladler geschmückt und zum Abschluß
sangen alle das Lied der Deutschen. Das war zwar früher mal auch die Hymne
der österreichischen Kaiser, aber eben mit anderem Text. Mit der Republik
Österreich hatte beides nichts zu tun.

Es ist aber auch kein Wunder, daß selbst solche Patrioten verwirrt sind. Es
ist ja wirklich nicht so einfach mit dem 26.Oktober. Böse Menschen meinen
ja, man hätte heuer den 170.Jahrestags der Beschießung des revolutionären
Wiens durch kaiserliche Truppen gefeiert, aber das wirds wohl nicht sein.
Offiziell heißt es ja, der Beschluß des Neutralitätsgesetzes wäre der Grund.
Wirklich aber wird gefeiert, daß man an diesem Tag endlich diejenigen los
geworden ist, die Österreich von der Nazimacht befreit haben — an diesem
Tag wurden wir befreit von den Befreiern quasi. Ist also nicht wirklich so
toll.

Da gibts dann Leute, die sagen, der 8.Mai wäre ein passenderer
Nationalfeiertag. Naja, da könnten wir dann feiern, daß das österreichische
Volk wie ein Mann aufgestanden ist, die Wiedererstehung der österreichischen
Republik gegen die deutschen Nazis durchzusetzen — blöd nur, daß das halt
nicht so ganz mit der historischen Wahrheit korreliert. Ein
Nationalfeiertag, wo sich die Nation fragen muß: „Wos wor mei Leistung?“ ist
eben auch nicht so ganz das Wahre.

Dann gäbe es noch den 1.Mai. Der ist schon seit 1919 ein staatlicher
Feiertag in Österreich — und war sogar mal sowas wie ein Nationalfeiertag.
Weil ihn die Austrofaschisten 1934 zum Tag der Proklamation der Verfassung
des Ständestaats gemacht haben. Also historisch ebenfalls nicht so
prickelnd. Schlimm genug, daß er im offziellen Kalender immer noch als
„Staatsfeiertag“ vermerkt ist…

Bliebe der 12.November, also jener Tag vor 100 Jahren, an dem die Republik
ausgerufen worden ist. Das war ja in der Ersten Republik — ebenfalls seit
1919 — der eigentliche Nationalfeiertag. Aber sogar dieser Tag ist ein
bissi seltsam. Weil diese Ausrufung erst passiert ist, nachdem Kaiser Karl
selbst seine Abdankung erklärt hatte — also weil einem nix anderes
übriggeblieben ist, als eine neue Staatsform zu deklarieren. Vorher hat man
sich das nicht getraut. Abgesehen davon hat man an diesem 12.November die
Republik Deutsch-Österreich als Teil des Deutschen Reiches ausgerufen — ist
beim heutigen Staatsverständnis auch nicht so ganz passend.

Gegenvorschlag

Wenn wir schon irgendsoein Brimborium brauchen, wo sich die eher zufällig
zustandegekommene Verwaltungseinheit zwischen Boden- und Neusiedlersee
zelebriert, dann sollten wir den 30.Oktober nehmen. Denn an diesem Tag des
Jahres 1918 beschloß die Provisorische Nationalversammlung in einem
tatsächlich revolutionären Akt, daß sie alleine die Regierung zu bestimmen
habe und damit der Kaiser einfach zu ignorieren sei — und dessen alte
Regierung Lammasch ab sofort genau nix mehr zu sagen habe. Aber was
vielleicht noch wichtiger ist, man beschloß am selben Tag auch die Aufhebung
jeglicher Zensur sowie aller Einschränkungen des Vereins- und
Versammlungsrechts — ohne das ganze Pipapo á la „Näheres bestimmt die
Polizei“, was dann später dazukam. Und im Gegensatz zu so ziemlich allen,
was damals in diesen ersten revolutionären Parlamentssitzungen beschlossen
worden ist, ist dieses Verfassungsgesetz bis heute gültig.

Aber so ist das halt in Österreich — allzu laut will man es nicht feiern,
daß man den Kaiser selbst abgesetzt hat. Da sei der Tourismusverband vor!
Und die Durchsetzung bürgerlicher Freiheiten ist anscheinend auch nicht so
bedeutend in diesem Land. Außerdem hat das ja alles nur mit Republikanismus
und Demokratie zu tun und nichts mit dem holden Vaterland. An solchen Tagen
kann man ja keine Nation feiern. Nein, wir freuen uns lieber alle am
26.Oktober, daß wir 1955 diese ganzen Ausländer, die sich hier
wichtiggemacht hatten, endlich losgeworden sind. Ist ja irgendwie passender
für eine nationale Aufwallung. Und der militärische Aufmarsch ist da auch
stimmiger.

*Bernhard Redl*

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