Garantierte Sicherheit – wofür?
Ausgerechnet Alaska!
Möchte einsteigen mit einem kurzen Auszug aus den Reden der Präsidenten am Ende des Treffens in Alaska. (Allfällige Interpretationsunterschiede der Übersetzungen bzw. nachträglicher Deutungen oder Erläuterungen sind hier m.E. irrelevant.)
Putin: „Ich möchte meinem amerikanischen Kollegen noch einmal für das Angebot danken, nach Alaska zu kommen. Es ist ganz logisch, sich hier zu treffen, denn unsere Länder sind, obwohl durch Ozeane getrennt, tatsächlich enge Nachbarn. … Im Zweiten Weltkrieg begann in Alaska die legendäre Luftroute für die Lieferung von Kampfflugzeugen und anderer Ausrüstung im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes. Es war eine gefährliche, schwierige Route über riesige Eisflächen, aber die Piloten und Spezialisten beider Länder taten alles, um den Sieg näher zu bringen, gingen Risiken ein und gaben ihr Leben für einen gemeinsamen Sieg. … Wie Sie wissen und verstehen, ist die Situation um die Ukraine zu einem der zentralen Themen geworden. Wir erkennen den Wunsch der US-Regierung und Präsident Trumps persönlich, die Lösung des Ukraine-Konflikts zu fördern, seinen Wunsch, die Essenz zu ergründen und seine Ursprünge zu verstehen. Ich habe mehrfach gesagt, dass die Ereignisse in der Ukraine für Russland eine grundlegende Bedrohung unserer nationalen Sicherheit darstellen. Darüber hinaus haben wir das ukrainische Volk, wie ich schon oft gesagt habe, stets als brüderlich betrachtet und betrachten es auch weiterhin, so seltsam das unter den heutigen Bedingungen klingen mag. Wir haben dieselben Wurzeln, und alles, was uns widerfährt, ist eine Tragödie und ein großes Leid. Deshalb ist unser Land aufrichtig daran interessiert, dem ein Ende zu setzen. …“
Trump: „Vielen Dank, Herr Präsident. Dies ist eine wirklich tiefgründige Rede. Ich möchte sagen, dass wir ein sehr produktives Treffen hatten und viele Themen besprochen haben. Ich denke, einige davon waren wirklich wichtig. Wir konnten keine vollständige Einigung erzielen. Leider gibt es noch keine Einigung. Ich werde mit NATO-Vertretern telefonieren und mit den zuständigen Staats- und Regierungschefs sowie mit Präsident Selenskyj sprechen. Ich werde ihn über das heutige Treffen informieren. …
Wir haben heute bedeutende Fortschritte erzielt. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Präsident Putin. Wir hatten viele schwierige, aber auch gute Treffen mit Wladimir Wladimirowitsch. … Natürlich werden wir gute Gelegenheiten zur Zusammenarbeit haben. Ich möchte gleich vorweg sagen, dass ich mehrere Telefongespräche führen und die europäischen Staats- und Regierungschefs über die Gespräche informieren werde. Wir haben produktive Gespräche geführt. Und das Wichtigste ist wahrscheinlich, dass wir eine gute, sehr gute Chance auf eine friedliche Lösung haben. Wir haben sie noch nicht erreicht, aber ich danke Präsident Putin und seinem Team dafür, dass Sie hier alles Notwendige getan haben, um dies zu ermöglichen. … “
http://kremlin.ru/events/president/news/77793
https://truthsocial.com/@realDonaldTrump
Putin freut sich über die gute Nachbarschaft, nimmt den Ball auf, nachdem Trump neulich den deutschen Kanzler an den letzten großen Krieg erinnert hat, gedenkt selber der alten Waffenbrüderschaft und referiert vergleichsweise ausführlich über die Ukraine, also über seine Ansprüche an die Ukraine.
Trump bekräftigt seinen bereits bekannten Standpunkt: Es existieren keine unüberbrückbaren Gegensätze und insofern keine Feindschaft zwischen den USA und der Russischen Föderation. Es gibt sicher offene Fragen, ebenso wie Gelegenheiten zur Zusammenarbeit. Dann wäre da noch diese leidige Geschichte in der Ukraine, „leider“ gibt es da keine „vollständige Einigung“ – weil da noch andere Subjekte beteiligt sind, die Trump informieren wird und denen er jetzt mal die Chance gibt, selber etwas weiter zu bringen. Das sind die zuständigen „Staats- und Regierungschefs“ aus Europa, und den Präsidenten Selenskyj gibt es irgendwie auch noch … Americafirst ist und bleibt jedenfalls raus aus dem Krieg, das ist nicht mehr Amerikas Krieg, auch wenn sich der Präsident eine beobachtende Aufsicht vorbehält; er hat schließlich persönlich Selenskyj mit Undank aus dem Kriegsdienst für Amerika entlassen, er hat die Schuldfrage neu gewichtet und Selenskyj vorgeworfen, der hätte sich in einen Konflikt verwickelt, dem er gar nicht gewachsen ist, und wolle auf Kosten Amerikas reüssieren. Die freche Behauptung des Ukrainers, er würde für eine gemeinsame Sache kämpfen, für westliche Werte oder gleich die Sicherheit Europas, und womöglich sogar für die Sicherheit der USA – und die Ukraine sei deswegen zu Ansprüchen berechtigt, weswegen er persönlich gar nicht der verzweifelte Bittsteller im Westen sei, als den ihn die Welt seit dreieinhalb Jahren kennt –, das alles nimmt sich aus Sicht der US-Administration als geradezu absurde Anmaßung aus. Amerika sorgt für seine Sicherheit schon selbst, führt so auch seine Kriege, rekrutiert im Bedarfsfall durchaus Helferleins, aber eben in eindeutiger Reihenfolge. Der Vizepräsident hat neulich nachdrücklich bekräftigt: Für die Ukraine gibt es kein Geld mehr. Über genehmigte oder verweigerte Waffenlieferungen, die von „Europa“ bezahlt werden, sind die USA weiter eingemischt, und über einen äußerst schrägen Vertrag, teilweise unveröffentlicht, hat sich Amerika einen privilegierten Zugriff auf allfällige ukrainische Rohstoffe gesichert, ohne sich auf irgendetwas zu verpflichten. Trump geht davon aus, dass ihm die Ukraine so oder so ausgeliefert ist, und hat sie fallengelassen; ein sonstiger, für die USA vorteilhafter „deal“ mit diesem „failed state“ ist nirgends zu sehen.
Die vielstimmigen unermüdlichen Vorwürfe, Trump habe sich von Putin „über den Tisch ziehen lassen“, die kapieren nicht oder wollen nicht wahrhaben, was „Americafirst“ bedeutet. Trump hat den Krieg quasi neu durchkalkuliert, und den Nutzen Amerikas aus dem gewaltigen Aufwand vermisst, der nun einmal darin besteht, einen kaputten Staat ökonomisch und militärisch überhaupt aktionsfähig zu halten. Die Ukraine ist seit 2008 pleite, lebt von Krediten des IWF, der dafür seine Kriterien der Finanzierung modifiziert hat, und vor allem von gewaltigen Subventionen des früheren Westens in das Staatsbudget und in das Militär sowieso. Die brachiale Strapazierung der russischen konventionellen Streitkräfte bisher lohnt den Aufwand für Amerika offenbar nicht, und wie es mit dem westlichen Wirtschaftskrieg weitergeht, ist tendenziell offen.
Der Kurswechsel unter Trump enthält übrigens im Nachhinein eine wertvolle Klarstellung über die Freiheit imperialistischer, zumindest amerikanischer Beschlusslagen. Die damaligen „Narrative“ von den Sachzwang-ähnlichen Notwendigkeiten, die vor drei Jahren einen Angriff auf die vom Völkerrecht gestiftete Weltordnung durch Russland festgestellt haben, der den damaligen westlichen selbst erteilten Auftrag zum Kampf dagegen unausweichlich gemacht hätte, richtiggehend „alternativlos“ – alles Quatsch! Das sind Einschätzungen und freie Beschlüsse, einmal zur Eskalation, ebenso wie nunmehr die Rückstufung zum regionalen Konflikt durch Trump. Auch in Europa gibt es ja von den Vormächten abweichende Meinungen und Vorschläge, den Umgang mit Russland betreffend, in Ungarn und der Slowakei. Die bisherigen höchsten Werte sind ebenfalls etwas degradiert. Gemäß den empörten Stellungnahmen vom „Verrat“ Trumps wäre die bisherige Liste der gern vom früheren Westen beanspruchten Kriegsgründe nach wie vor gültig: Das Völkerrecht, die Gerechtigkeit, die territoriale Integrität, die Selbstbestimmung, die Souveränität, die Demokratie, die Sicherheit usw. usf. – sie alle schreien nach der Fortsetzung des Krieges. Nicht zu vergessen das ukrainische Volk – abgesehen von nicht wenigen Deserteuren und vielen Flüchtlingen; und abgesehen von der russischen Bevölkerung im Osten der Ukraine, die mit viel Umvolkung durch Entrussifizierung konfrontiert ist, durch Sanktionen in Sachen Sprache, Kultur, Religion und durch ein kleines Umschreiben der Geschichte, bekanntlich keine Besonderheit des Sowjetsystems. Man könnte ja wieder mal was lernen, über den Stellenwert moralischer Titel in der Realpolitik, über die Werte einer Wertegemeinschaft für alle Werk- und Feiertage und den Krieg speziell – aber wer bisher unbedingt an das Gute eines europäischen Imperialismus glauben wollte, findet sich vermutlich bald wieder zurecht, moralisch.
Das andere Opfer Trumps neben der Ukraine sind nämlich die europäischen Groß- und Kleinmächte, die haben sich gewohnheitsmäßig als Mitmacher, damit Teilhaber und Nutznießer einer Weltmacht namens „der Westen“ benommen, und ein dementsprechendes Anspruchsniveau entwickelt. Americafirst hat durch seine Absage an die bisherige Weltordnung und an diesen „Westen“ diese europäische Position entwertet und damit offen gelegt, wie sehr das Auftrumpfen der EU gerade gegenüber Russland auf der geborgten Macht der USA beruht hat, was Trump wiederholt als Schmarotzer- und Trittbrettfahrertum gegeißelt hat. Trump zwingt die Europäer in eine neue Lage; die bisherige Definition, wonach Russland sich am Monopol „des Westens“ auf den Krieg als Mittel der Politik vergriffen hätte und daher niederzumachen oder wenigstens militärisch zu zermürben wäre, die gilt nicht mehr. Der Krieg ist aus Sicht der USA nur mehr ein regionaler Konflikt, der für Amerika bloß Kosten verursacht, und seine Freiheit im Umgang mit Putins Russland eingeschränkt hat. Das ist natürlich kein schlichter Frontwechsel auf die Seite Russlands; Americafirst gilt natürlich auch im Verkehr mit Putin, und die Zurückstufung des Krieges von der ultimativen und inakzeptablen Herausforderung des Westens zu einer militärischen Spezialoperation ist schon ein Schritt zur Abklärung, welche ökonomischen, strategischen amerikanischen Bedürfnisse mit einem nicht mehr „ausgegrenzten“ Russland eventuell voranzubringen wären.
Wer anschließend wen nach Washington zum kollektiven Arschkriechen eingeladen hat, Selenskyj die europäischen Häuptlinge, diese sich selber oder der Donald alle miteinander, ist auch egal. Der STANDARD hat die Europäer wohlwollend als die „Leibwache“ Selenskyjs benannt, damit der schlimme Finger im Weißen Haus nicht wieder so gemein ist – aber diese Phase ist ohnehin abgehakt. Was da zu besichtigen war, hat bebildert, wer tatsächlich das Sagen hat, Selenskyj jedenfalls nicht; da war eine Marionette samt Hintermännern und Hinterfrauen zugange. Zu besprechen gab es jedenfalls wichtiges:
Was ist eine „Sicherheitsgarantie“ – und wer braucht so etwas wofür?
Das ist eine brandheiße Frage, weil die eine, die einzig brauchbare „Sicherheitsgarantie“ einfach nicht in Frage kommt, nicht für die Ukraine und erst recht nicht für die Europäer: Die Erfüllung russischer Forderungen, als da sind die Gebietsabtretungen, kein NATO-Beitritt der Ukraine, keine fremden Truppen in der Ukraine, Rüstungsbeschränkungen und das Ende der Diskriminierung der russischen Sprache und der russisch-orthodoxen Kirche; wobei die Geschichte mit der NATO ohnehin durch die ablehnende US-Position erledigt ist.
Zugleich sind sich alle Beteiligten darin einig, dass das Weitermachen wie bisher durch den Kurswechsel in Washington nicht mehr geht. Auch wenn Europa leidenschaftlich den Krieg fortführen will, so schlicht und schnörkellos ist das aus dem Stand heraus nicht drinnen. Vor allem, weil der Ukraine nicht nur das Kriegs-, sondern auch das Menschenmaterial und die Moral ausgeht, und die russischen Truppen auf dem Vormarsch sind. Es braucht also dringend eine Pause, einen Waffenstillstand, eine Zwischenlösung, auch weil der bislang als unerschütterlich gelten wollende Beschluss der europäischen Kriegswilligen zur Verschuldung, zur Aufrüstung und zur Kriegsbereitschaft schon eine wuchtige Sache ist – aber das will ja alles erst ins Werk gesetzt und gemacht werden, und das womöglich als notorisch konfliktträchtige europäische Gemeinschaftsleistung.
„Sicherheitsgarantie“ heißt also vor allem eines: Ein „Ausgleich“ mit Russland ist unerwünscht; nach dem Willen der maßgeblichen Europäer und nach dem Bedürfnis Selenskyjs soll das ziemlich devastierte ukrainische Staatsgründungs-Projekt in der aktuellen Form, als früher westlicher, nunmehr rein europäischer anti-russischer Stützpunkt, als Aufmarschgebiet, als Militärbasis, als Frontstaat, als Schlachtfeld, als Stellvertreter für die Drecksarbeit im Krieg gegen Russland – das soll weitergehen, das soll nach wie vor die einzige Chance für die Ukraine sein. Denn das haben die europäischen Freunde dem ukrainischen Präsidenten dreieinhalb Jahre lang unmissverständlich verklickert: Ihr Interesse an der Finanzierung seines kaputten Staatswesens beruht auf dessen Funktion als Vehikel eines jederzeit eskalierbaren Kriegsschauplatzes. Der Friede, ein Friede, der bloß den status quo festschreibt, bringt es eben nicht, für die Ukraine, weil das für die europäischen Ansprüche gegen Russland nichts bringt. Das erwünschte Weitermachen braucht aber eine Pause, braucht Zeit! Die Aufrüstung der Ukraine zum waffenstarrenden russlandfeindlichen „Stachelschwein“ nach Frau von der Leyen geht eben nicht von heute auf morgen. Währenddessen möge Russland stillhalten, „garantiert“ auch noch, und das nach den einschlägigen Erfahrungen namens „Minsk“! Ob sich Putin wieder „über den Tisch ziehen“ lässt? Dafür würden die Europäer wieder gern an Amerika „schmarotzen“, aber was hätten sie zu bieten, was Trump nicht längst bekommen hat?
Kurzer persönlicher Einschub: Nicht nur ich und meine, auch ein paar folgende Generationen sind in einem Österreich aufgewachsen, dessen Maximen sich Russland für die Ukraine wünscht: Neutral, nicht nennenswert gerüstet, keine fremden Truppen. Und, Leute, Österreich war nicht die Hölle! Aber: Für Österreich war die Unabhängigkeit samt Neutralitätserklärung usw. der Beginn eines nationalen Aufstiegs anfangs in einer Nische zwischen den Blöcken, im Rahmen und auf Grundlage der damals aufwachsenden Weltordnung. Für die Ukraine war die nationale Unabhängigkeit der Beginn eines rasanten Abstiegs, durch „Verwestlichung“ im Rahmen der schon etablierten Weltwirtschaftsordnung und durch die Unterwerfung unter die Diktate Europas. Zu nennen sind die Abtrennung essentieller Lieferketten durch die Auflösung des früheren sowjetischen Wirtschaftsraumes; die Umstellung auf Kapitalismus, verkörpert in der sympathischen Figur des „Oligarchen“, den ein Teil der früheren Wirtschaft nicht geschafft hat; die Unterwerfung unter die Forderungen des IWF: Nicht einmal zwanzig Jahre nach der Unabhängigkeit und der Einführung der Marktwirtschaft war die Ukraine pleite, weil an der „Globalisierung“ gescheitert und im Status eines Landes der Dritten Welt gelandet, vom vorherigen Industrieland zum Exporteur von landwirtschaftlichen Produkten wie Getreide, Sonnenblumen und Zucker. Und ein Auswanderungsland – die „Abstimmung“ der Ukrainer mit den Füßen läuft ja nicht erst seit Kriegsbeginn. Eine Chance auf Verbesserung und nationalen Aufstieg ist unter den gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Verhältnissen nicht vorhanden. Das einzige Pfund, mit dem die Ukraine früher gegenüber den westlichen Geldgebern, nun nur mehr gegenüber Europa wuchern kann, das ist ihre strategische Lage als Stachel im Fleisch Moskaus; das einzige „asset“ der Ukraine ist die Grenze zur Russischen Föderation.
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Noch ein Lesetipp: Die hiesige übliche Meinungsbildung (vulgo „Lügenpresse“) schiebt derzeit eine Bankrotterklärung nach der anderen an die geneigte Leserschaft. Die eine Abteilung der Demokratieidealisten versteht die Welt nicht mehr, und legt ihre Ahnungslosigkeit und ihre Unfähigkeit, was zu lernen, Donald Trump zur Last. Ein zusammenfassendes posting oder ein Leserbrief hält dann den Ami-Präsidenten für verrückt und seine Wähler ebenfalls. Das ist ev. etwas grobschlächtig vielleicht, aber doch eine respektable Zusammenfassung großer Teile der Verantwortungspresse. Die Freunde eines machtvoll agierenden Europa sind auch sauer, rufen ihre Führer zum Zwergenaufstand auf und sind enttäuscht, wenn die ihnen mitteilen, es hätte – Zollhammer! – immer noch schlimmer kommen können. Die schreibende Zunft hat die bisherigen Zustände nicht analysiert, sondern sich an denen orientiert – und nun ist die Orientierung weg, und das teilen die Schreiber mit! Die einzige „Analyse“, die man da kennt, das ist die Abschätzung von Erfolg und Misserfolg, wobei der Erfolg noch jeder Sauerei recht gibt – blöderweise verzeichnet Trump seine Erfolge auf Kosten Europas, das kann es dann auch nicht sein. Außerdem müsste man da die Kriterien und Maßstäbe von Erfolg und Misserfolg schon kennen …
Literatur:
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/trump-spiegel-serioesen-deutschen-oeffentlichkeit
https://de.gegenstandpunkt.com/archiv/dossiers/abweichende-meinungen-zum-krieg-ukraine
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Kurz vor und nach dem Angriff Russlands im Februar 2022 gab es eine kurze Phase der „Kontextualisierung“ der Angelegenheit, wie man das gern nennt. Exemplarisch ein Historiker Anfang 2022 im Kurier. Aus: https://cba.media/543349
„Mühsam aufgebautes Vertrauen zwischen Ost und West ist verspielt. Daran ist nicht nur eine Seite schuldig. In dieser Situation geht es Moskau v.a. um Sicherheit in seinem europäischen Vorfeld. Als Joe Biden 2009 in Kiew erklärte, die Einflusszone der USA und der NATO könnte bis an die Grenze Russlands reichen, war für den Kreml sicherheitspolitisch und im historischen Selbstverständnis eine rote Linie überschritten. … Seit der Besetzung der Krim 2014 hat Kiew, auch mit westlicher Hilfe, stark aufgerüstet. Britische und US-Kampfverbände stehen im Land oder an der Grenze zur Ukraine. … Die Ignoranz des Westens gegenüber Putins früheren Signalen zur Kooperation ist lang. … Russland betreibt Großmachtpolitik im postsowjetischen Raum, wie wir sie von anderen Großmächten kennen. In den umstrittenen Gebieten Georgiens oder der Moldau leben überwiegend ethnische Russen, teils mit russisch Pässen, worauf sich Moskau beruft. Der Kalte Krieg wurde nicht heiß, weil man Einflusssphären beiderseitig akzeptierte. Die haben sich heute stark nach Osten, teilweise an die russische Grenze vorgeschoben. Modernste Waffensysteme stehen im Baltikum, in Tschechien. Sie erzeugen kein Vertrauen.“
Daschauher: Modernste Waffensysteme der NATO an der russischen Grenze erzeugen in Russland kein Vertrauen in die NATO. Das ist, verglichen mit dem Medien-Mainstream, fast schon russische Propaganda. Der Historiker konzediert Russland damit immerhin handfeste Gründe für Befürchtungen, wegen westlicher Waffen. Als Biden 2009 – damals als Vizepräsident –, so referiert Karner, die „Einflusszone der USA bis an die Grenze Russlands“ auszudehnen ankündigte, war für Moskau eine sog. „rote Linie“ überschritten. Auch da konzediert der Historiker also tatsächlich dem Kreml legitime Sicherheitsinteressen, und dementsprechende nicht verhandelbare Einwände gegen einen westlichen Vormarsch, der an ein Ende kommen muss. Damit steht der Historiker im Konzert der uniformen Meinungen inzwischen ziemlich allein auf weiter Flur; denn dass die legitimen Interessen Russlands sicher nicht in Moskau, sondern allein in Washington und in den europäischen Echokammern definiert werden, das ist mittlerweile öffentlicher Konsens. Wenn Karner daran erinnert, dass „der Kalte Krieg nicht heiß wurde, weil man Einflusssphären beiderseitig akzeptierte“, ist festzuhalten, dass die NATO das heute nicht mehr gelten lassen will im Glauben, das nicht mehr nötig zu haben. Und wenn der Schutz von Amerikanern im Ausland für manche Intervention und manchen Militäreinsatz gut genug war, so gilt das natürlich nicht für Russen, und als Schutzmacht für russische Minderheiten im benachbarten Ausland kommt Russland auch nicht in Frage – das wäre doch glatt ein Verstoß gegen die ukrainische, georgische etc. Souveränität … Wie gesagt, Karners Position ist hierzulande noch zu lesen, als eine eklatante Minderheitsmeinung. Sogar an ein von der westlichen Propaganda mittlerweile als Wunschdenken oder gleich als „Fake“ abgetanes „Versprechen“ erinnert sich der Historiker, und an ein von Ost und West unterschriebenes Prinzip der OSZE: „… es steht das mündliche Versprechen aus 1990/91 im Raum, es werde keine NATO-Osterweiterung über die DDR hinaus geben. Russland argumentiert mit der `ungeteilten Sicherheit´ als Prinzip der OSZE, die nicht zulasten anderer geht.“
