Über Feind- und Freundbilder

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  • 05_09_2025_Feindbilder_und_Freundbilder
    24:53
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Eine "Sicherheitsgarantie" für die Ukraine - wofür?

Vortrag und Diskussion: Migration und Migrationspolitik
Dienstag, 9.9.2025, 19:00 Uhr
Amerlinghaus, Galerie
Stiftgasse 8, 1070 Wien

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Über Feind- und Freundbilder

Einstieg ist ein Mosaiksteinchen im aktuellen Feindbild – es geht um nicht weniger als organisiertes

Kidnapping!

Dazu ein kleine Vorlesung aus einem Text der Schweizer „Weltwoche“:

Im Dezember 2021 meldete CNN, die Regierung in Washington habe 1450 Waisenkinder aus Afghanistan in die USA bringen lassen. Die Meldung machte in der Öffentlichkeit nicht mehr Aufsehen als der Wetterbericht oder eine Verkehrsstörung. Keine Journalistin, kein Journalist eines westlichen Mediums käme auf die Idee, von ‘Kinderraub’ oder ‘Deportationen’ zu reden. Im Gegenteil. Schutz der Schutzlosen war immer Gebot des humanitären Völkerrechts und der Genfer Konventionen.

Das gilt aber nicht für Russland. Wenn die russische Armee elternlose Kinder und Jugendliche aus Kampfgebieten der ukrainischen Front evakuiert, kann dies keine humanitäre Aktion sein, weil Russland in der Gestalt von Putin jede Menschlichkeit und jede rechtskonforme Handlung aberkannt werden muss. So lautete allzu offensichtlich die verquere Logik, nach der die Menschenrechts-Beauftragten der Regierung in Kiew seit Kriegsbeginn ihre ‘Erkenntnisse’ verbreiten, Russland verschleppe ukrainische Kinder, um sie in Erziehungslagern zu ‘russifizieren’, ihre ‘Identität auszulöschen’ und sie dann als Kanonenfutter in den Krieg zu schicken. Hunderte von westlichen Politik-Instituten und NGO, darunter die Heinrich-Böll-Stiftung der deutschen Grünen, beglaubigen diese Darstellung und arbeiten sich unablässig daran ab, Details über dieses angebliche organisierte russische Kidnapping zu enthüllen. … In der Herstellung der Kinderräuberstory scheint der erzählerischen Kreativität keine Grenze gesetzt. Mykola Kuleba, ein Menschenrechts-Vertreter der Regierung in Kiew, erklärte 2023 vor dem Uno-Sicherheitsrat: ‘Mehr als eine Million Kinder sind in den besetzten Gebieten der Krim und des Donbass gestrandet (endet up) und wurden nach Moskau deportiert. Sie wurden gestohlen und zu Waffen gemacht. Tausende von ihnen kämpfen nun gegen ihr Heimatland.’

Aus einer Million wurden nach und nach 20.000

Die ‘Tagesschau’ des Schweizer Fernsehens sieht sich genötigt, auf den Kinderräuber-Hype aufzusteigen. In der Abendausgabe vom 11. August heisst es in der Anmoderation, Russland habe ‘fast 20.000 ukrainische Kinder und Jugendliche aus den besetzten Gebieten entführt, das sagen die ukrainischen Behörden’. Diese Behörden jonglieren also beim derzeitigen Stand der Dinge nicht mehr mit einer Million, sondern mit der Zahl 20.000. Im TV-Beitrag sagt dann Darja Kasjanowa von einem ‘Ukrainischen Netzwerk für Kinderrechte’ den bekannten Text: Die von Russland verschleppten Kinder, so Kasjanowa, würden ‘grossgezogen und zu einer Waffe gegen die Ukraine gemacht’.

Als Beweis für die Wahrheit dieser Aussage hat der SRF-Korrespondent in Kiew einen 17-jährigen Jugendlichen gefunden … “ – dessen Story die ganze Geschichte als „Fake-News“ blamieren würde, wenn es denn darauf ankäme. Die vollständige Geschichte:

https://weltwoche.ch/daily/raubt-russland-kinder/

Most wanted wg. Kidnapping: Wladimir Wladimirowitsch Putin

Das erinnert an eine ähnliche Story vor über zwei Jahren, immerhin beruht der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IstGH) gegen Putin, für den natürlich die Unschuldsvermutung gilt, und der in Österreich natürlich nicht vollstreckt würde, sollte sich Putin herablassen, für Verhandlungen mit Selenskyj in Wien zu erscheinen – aber das ist eine andere Geschichte –, dieser Haftbefehl beruht auf dem harten Vorwurf des „Kidnapping“. Habe damals einen Beitrag verfasst, Zitat:

„Jetzt haben sie ihn. Fast. Schon lange sind sie hinter ihm her, aber jetzt geht etwas weiter. Es existiert ein internationaler Haftbefehl! Wladimir Wladimirowitsch Putin steht auf der Fahndungsliste. Ebenso Maria Lwowa-Belowa, Russlands Kinderschutzbeauftragte. Der Vorwurf an den aktuellen Hitler in Moskau lautet: Kidnapping! Das ist kein Witz! Frau Lwowa-Belowa fungiert hier offenbar wesentlich als winkeladvokatisches Vehikel, um darüber an Putin ranzukommen. …

Die Sache, um die es geht, ist der Kriegsverbrecherprozess. Nach dem Ersten Weltkrieg konnten die Kaiser der Verliererstaaten Deutschland und Österreich-Ungarn, Wilhelm und Karl, flüchten, und als erfolgreiche Asylwerber in den Niederlanden bzw. auf Madeira den (bei Karl von Habsburg sehr kurzen) Lebensabend verbringen. Bis dahin galt das Recht zum Krieg als „naturgegebenes“ Recht des politischen Souveräns. Seit dem Zweiten Weltkrieg machen die Sieger den Verlierern bzw. deren Oberbefehlshabern und politischen Repräsentanten den Kriegsverbrecherprozess, erklären also den Feind zur kriminellen Vereinigung, die in Gestalt der Staatsspitze abgeurteilt wird. Das ist angebracht und sehr passend. Es geht im Krieg schließlich genau darum: Welches Recht gilt bzw. wessen Recht gilt wo, welcher Staat bzw. welches Bündnis übt daher mit Recht Gewalt, auch militärische Gewalt – und welche Gewalt ist illegitim, also ein Verbrechen. Wo Recht gegen Recht steht, entscheidet eben die Gewalt. Das ist keine rhetorische Spitzfindigkeit, das ist eine harte Tatsache namens Souveränität: Staaten definieren ihre Interessen als ihre Rechte, als ihren unveräußerlichen, nicht kompromissfähigen, absolut gültigen Besitzstand, auch außerhalb des eigenen Territoriums, erst recht im Fall der ‘nationalen Sicherheit’. Sobald der Streit entschieden ist, folgt dann das Recht der erfolgreichen Gewalt; damit belehrt der Kriegsverbrecherprozess Gott und die Welt und vor allem die Untertanen des Verlierers – die in der Regel bis zum bitteren Ende ‘alles mitgemacht haben’ –, dass nun ein neue Zeit anbricht.

Der ‘Internationale Strafgerichtshof’ (IStGH) fußt nun auf der originellen Idee, das Siegerrecht der Verabreichung legitimer Gewalt von hinten aufzuzäumen, und den Kriegsverbrecherprozess vor dem Sieg zu veranstalten bzw. wenigstens zu beginnen. Der IStGH setzt damit einen zusätzlichen Schritt, über die geläufigen, alltäglichen moralischen Verurteilungen unbequemer Auslande hinaus, mit denen alle Staaten einander ständig traktieren, eben die rechtsförmliche Anzeige, den Haftbefehl und die Verhandlung. Das Projekt beruht damit übrigens auf einer bemerkenswerten Unterstellung, dass nämlich der Weltfriede von einem permanenten Kriegszustand nicht zu unterscheiden ist, weswegen es eine Kriegsverbrecherverfolgungseinrichtung als nachhaltige Institution braucht.“ (https://cba.media/620315)

Der link zum damaligen Beitrag ist natürlich beigefügt; ich erinnere deswegen an den Haftbefehl und an das damalige Getöse, weil – ebenso wie von der „Weltwoche“ aktuell notiert – auch damals die Widerlegungen der Anschuldigungen durchaus Teil der Berichterstattung waren. Auch damals hat ein Artikel im „Standard“ und eine Sendung der ARD die damalige Hetze faktisch zurückgewiesen, aber ohne Konsequenzen; die Einzelheiten sind im damaligen Beitrag zitiert bzw. verlinkt. Aber so geht sie, die Propaganda der Verantwortungs-Presse – „Verantwortung“ benennt den Grund für die einschlägigen Lügen: Es tut daher nichts zur Sache, wenn ab und an auch ein Stück Wahrheit irgendwo aufblitzt und wieder untergeht, in der Masse der Propaganda. Es gilt für die Medienlandschaft generell, was manche europäischen Autoren nunmehr in den USA unter Trump und an der Kooperation der Regierung mit der dortigen Lügenpresse entdecken: Wenn eine Lüge nur oft genug wiederholt und von willfährigen Medien zum Standard der Berichterstattung erhoben wird, dann bleibt die Lüge zwar immer noch eine solche, sie wird bloß dadurch zum gültigen Narrativ! So geht Kriegshetze und Propaganda, und das nehmen europäische Publizisten durchaus wahr, aber ohne sich darin wiederzuentdecken!

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Bundeskanzler Merz zu „Stärke“

Die Glaubwürdigkeit Deutschlands als politischer Machtfaktor ist auch von einer intakten Verteidigungsfähigkeit abhängig. Diese verspielt Berlin gerade. Er will die ‘stärkste konventionelle Armee Europas’ aufbauen, für ihn ist Russland ‘die größte Bedrohung für Freiheit, Frieden und Stabilität in Europa’. ‘Stärke schreckt Aggression ab, Schwäche hingegen lädt zu Aggression ein’, sagte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz mit Pathos. Und dann kam nichts.“ (Kurier 29. August 2025)

Ob und inwieweit „dann“ etwas kommt oder nicht, sei dahingestellt. Die „stärkste konventionelle Armee Europas“ wird ja nicht an einem Tag erbaut. Will auf einen Teil der Bemerkung eingehen: ‘Stärke schreckt Aggression ab, Schwäche hingegen lädt zu Aggression ein’! Nun, dem stimmt der Präsident der Russischen Föderation nahtlos und vollständig zu. Das ist ja sein Vorwurf an seine Vorgänger! Möchte auch hier wieder an die kurze Phase der Kontextualisierung erinnern, vor dreieinhalb Jahren, als damals mehr oder weniger zertifizierte Auskenner nach Kriegsbeginn gefragt wurden, was denn da los sei, und wie der Kriegsbeginn einzuordnen sei. Zitiere wieder von damals:

Der Name „Putin“ steht für den Kurswechsel von der russischen Devastierung zur Konsolidierung. Der Mann legt bei Amtsantritt im Jahr 2000 eine schonungslos Bilanz der Lage der russischen Nation vor, und macht sich an die Wende. Dazu gehört erst mal der Krieg gegen das separatistische Tschetschenien, durchaus als Exempel gegen ähnliche Tendenzen in der Umgebung; dazu gehört auch die Wiederherstellung der staatlichen Souveränität nach innen, im dortigen Jargon die „Vertikale der Macht“ genannt – gemeint ist damit schlicht der moderne Elementarzustand eines Gewaltmonopols, dessen Bescheide auch zuverlässig flächendeckend vollstreckt werden. Diese Selbstverständlichkeit moderner Staaten war zehn Jahre lang erodiert. …

Ebenso zu erwähnen ist die Unterordnung der mit der Marktwirtschaft hochgekommenen russischen Oligarchen durch den an ihnen vollstreckten Auftrag, sie mögen gefälligst ihrer sozialen Verpflichtung nachkommen, als maßgebliche Treuhänder, Verwalter und Manager des russischen Reichtums der Nation; dafür steht die seinerzeitige Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos: Die Privatisierung der sowjetischen Staatswirtschaft war nun einmal nicht so gemeint, dass da einige dubiose Figuren die brauchbaren Bodenschätze an das Ausland verscherbeln – und die Geld-Erlöse auch gleich wieder exportieren bzw. von vornherein in Steueroasen, Luxusjachten und allerlei Investitionen auf dem Globus verschwinden lassen, während der aufzubauende russische Kapitalstandort durch diesen Ausverkauf noch weiter verkommt. Wenn Russland einen russischen Oligarchen enteignet, dann wird ein gewisser Chodorkowski zum Helden der westlichen Welt, als Repräsentant eines in diesem Fall unantastbaren Privateigentums.

Diese ganze Wende in den unnachahmlichen Worten des vorletzten amerikanischen Präsidenten, der über sein letztes Treffen mit Putin der Presse berichtet:

„And I think I pointed out to him that Russia had an opportunity – that brief shining moment after Gorbachev and after things began to change drastically – to actually generate a democratic government.  But what happened was it failed … I think he decided that the way for Russia to be able to sustain itself as a great — quote, ‘great power’ is to in fact unite the Russian people on just the strength of the government …“ (Biden, Pressekonferenz 16.6.2021)

Das waren noch Zeiten, damals unter Gorbatschow und Jelzin – ein wahrer „shining moment“ –, aber dann kam Putin mit der aus damaliger US-Sicht abwegigen Idee, ein funktionierendes Gewaltmonopol einer starken Regierung erhalten bzw. wieder errichten zu wollen. Und wozu das alles? To make Russia great again! Unglaublich …

https://cba.media/556743

Unter Putin wurde jedenfalls die Phase der russischen Appeasement-Politik beendet, – eine Politik der Zugeständnisse, der Zurückhaltung, der Beschwichtigung und des Entgegenkommens gegenüber Aggressionen zur Vermeidung eines Krieges.“ (wikipedia). Mit der Annexion der Krim war das, was Hitler die „wirtschaftsfriedliche Eroberung“ des Ostens (durch die Europäische Union) bezeichnet hätte, beendet. Friedrich Merz hat aber natürlich nicht recht, wenn er behauptet ‘Stärke schreckt Aggression ab, Schwäche hingegen lädt zu Aggression ein’! Da beansprucht Putin, die russische Schwäche überwunden zu haben, durch die Anwendung militärischer Stärke – aber die europäische Koalition der Kriegswilligen lässt sich durch diese Stärke natürlich nicht abschrecken, sondern verlangt nach dem Aufbau der eigenen Kriegstüchtigkeit, kündigt gigantische Rüstungsprogramme an. Kriege brachen eben nicht einfach aus, sondern werden von langer Hand vorbereitet, ökonomisch, militärisch und moralisch. Daher wieder einmal die Erinnerung daran, dass man sich die Frage, welche der Parteien denn nun im Recht ist, nicht stellen und sich auch nicht aufdrängen lassen sollte, weil die Frage selbst schon die prinzipielle Zustimmung zum Krieg enthält, die Parteinahme für Krieg! Statt dessen ist die Frage fällig, worum es denn geht, was der Gegenstand des Streits ist, was beanspruchen denn die Kriegsgegner, worin besteht ihr Gegensatz?

Nun, die Frage ist, kurz gefasst, gehört die Ukraine nun zum europäischen oder zum russischen Imperium, wessen „Hinterhof“ ist die Ukraine – und vor allem, wer ist das politische Subjekt, wer ist die Ordnungsmacht, die über die Existenz von Staaten und deren Grenzen entscheidet!

https://cba.media/547056

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Ist Völkermord schwer zu beweisen? Nur juristisch, praktisch gar nicht …

Im vorvorigen Beitrag habe ich vorgeschlagen, die Frage nach dem Völkermord an den Palästinensern mal zu lassen, und stattdessen die Frage zu stellen, was denn Israel nun von „den Palästinensern“ will bzw. eben nicht will, die Frage nach dem Wert des palästinensischen Lebens zu stellen, um darüber die Frage nach dem israelischen Umgang mit den Palästinensern zu beantworten. Und jetzt das: Nach einer sicherlich herrschaftsfreien Diskussion hat eine Community zertifizierter Fachleute Folgendes ermittelt: Die weltweit führende Vereinigung von Völkermord-Forschern sieht die rechtlichen Kriterien für einen Genozid durch Israel im Gazastreifen als erfüllt an. In einer am Montag verabschiedeten Resolution heißt es, Israels Politik und Vorgehen in Gaza erfüllten die rechtliche Definition von Völkermord gemäß der UN-Konvention von 1948. Die Resolution sei mit einer Mehrheit von 86 Prozent der abstimmenden Mitglieder verabschiedet worden … “
https://www.derstandard.at/story/3000000285793/genozid-forscher-kriterien-f252r-v246lkermord-durch-israel-in-gaza-erf252llt

So was aber auch, denn ich wollte schon darauf hinweisen, dass die Frage nach dem Völkermord anders entschieden wird, als durch eine Lektüre besagter UN-Konvention durch Spezialisten, nämlich ganz praktisch: Durch Sieg oder Niederlage. Die Sieger im Krieg erklären die Verlierer zu Verbrechern, für Kriegsverbrechen, Völkermord oder gleich Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Also – solange Israel den Krieg nicht verliert, kann Netanjahu einfach kein Kriegsverbrecher sein. Tja, da habe ich es mir wohl zu einfach gemacht … Noch zwei Bemerkungen:

Israel führt offenbar Gespräche mit der Regierung des Südsudans, ob das afrikanische Land Palästinenser aus dem Gazastreifen aufnehmen will. Dies berichtete als Erstes die amerikanische Nachrichtenagentur AP, die sich auf Quellen aus den beiden Ländern und aus Ägypten beruft.“
https://www.nzz.ch/international/israel-prueft-umsiedlung-von-gaza-palaestinensern-nach-suedsudan-ld.1898259
Schreibt u.a. die Neue Zürcher. Ist das jetzt der berühmte jüdische Humor oder / und legt man es da gezielt darauf an, etwaige Berührungsängste mit einem gewissen dunklen Kapital der Vergangenheit offensiv zu dementieren? Nach der Niederlage Frankreichs im Juni 1940 gewann die Vorstellung einer Zwangsumsiedlung aller europäischen Juden auf die Insel Madagaskar kurzfristig an Bedeutung. … In einem Schreiben an Außenminister Joachim von Ribbentrop vom 24. Juni 1940 erwog Reinhard Heydrich als ‘territoriale Endlösung’ die ‘Auswanderung’ aller im deutschen Machtbereich befindlichen Juden auf die französische Kolonialinsel vor Ostafrika.“
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/voelkermord/madagaskar-plan

Wird Palästina also demnächst „palästinenserrein“?!

Letzte Bemerkung, nämlich zum spannenden Vorwurf, gerade als Österreicher oder Deutscher müsse man – wg. dunklem Geschichtskapitel – überaus vorsichtig mit Vorwürfen gegenüber Israel hantieren. Nun, der Vorschlag entbehrt nicht einer gewissen Hinterfotzigkeit, er impliziert immerhin, Franzosen oder Engländer müssten sich nicht eine vergleichbare Selbstzensur auferlegen; und obendrein drückt sich der Hinweis – warum wohl? – dezidiert um die inhaltliche Auseinandersetzung. Aber wie dem auch sei: Weil „WIR“ – wenn man sich schon unbedingt mit dem damaligen deutsch-österreichischen Volk und den angeblichen heutigen Lehren daraus identifizieren will, was auch nicht sein muss – aber sei es drum, weil „wir“ damals die erreichbaren Juden umgebracht haben, müssen „wir“ dafür sein, dass nun die Palästinenser bluten? Wiedergutmachung auf Kosten unbeteiligter Dritter? Die Wiedergutmachung für den damaligen Völkermord besteht in der praktischen und moralischen Unterstützung des aktuellen Völkermordes? Das verstehe, wer will. Das „verstehen“ also nur hartgesottene gegenwärtige deutsch-österreichische Nationalisten …

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Vortrag und Diskussion: Migration und Migrationspolitik
Dienstag, 9.9.2025, 19:00 Uhr
Amerlinghaus, Galerie
Stiftgasse 8, 1070 Wien

Migra­ti­on ist ein politisches Dauerthema. Gerne in Form der Fra­ge nach ‘unser aller Sicher­heit’, wofür bei Bedarf der Anlass gefunden wird. Von der Drogenkriminalität bis zum Familiendrama schließen Poli­ti­ker quer durch das demo­kra­ti­sche Spek­trum den Migra­ti­ons­hin­ter­grund ausgewählter passender Täter mit der Tat in einer dreist-absur­den Wei­se zusammen, die offen­bar ins geis­tig-mora­li­sche Reper­toire ihres Berufs­stan­des gehört.

Migra­ti­on gilt gene­rell als Gefahr für ein Ding namens ‘unse­re Kul­tur und Iden­ti­tät’. Da muss die Poli­tik dagegenhalten; dar­über besteht Einig­keit. Gleich­zei­tig wird eben­falls ziem­lich ein­hel­lig beteu­ert, dass Migra­ti­on – eine nütz­li­che – selbst­ver­ständ­lich sein muss: ‘für unse­ren Stand­ort’, ‘unse­ren Wohl­stand’, auch für die ‘Zukunft’ und so Zeug.

Diese Beteue­run­gen unter­stel­len ers­tens bei denen, an die sie sich rich­ten, den Glau­ben, letzt­lich wäre es ein gro­ßes Pri­vi­leg, die­ses Land als ‘Hei­mat’ bewoh­nen zu dür­fen, die man sich dar­um eigent­lich nicht mit Frem­den zu tei­len braucht; um sie zwei­tens mit Ver­wei­sen auf den Nut­zen, den ‘Wir’ als Österreicher von den Leis­tun­gen der Migranten haben, mit der dau­er­haf­ten Anwe­sen­heit von Frem­den zu versöhnen.

Weder beim Stolz auf das ‘Wir’, das eigentlich keine Fremden verträgt, noch bei der verordneten Toleranz gegenüber fremden Nützlingen für ‘Uns’ darf es die lieben Österreicher irritieren, dass ‘ihre Heimat’ für sie überwiegend exakt die öden Rollen vorsieht, in denen sie dann eventuell auch ihren 30 % Zeitgenossen mit Migrationshintergrund begegnen: auf dem Arbeitsmarkt, dem Wohnungsmarkt, in den Wartelisten bei Ämtern und bei Kassenärzten …

Enga­gier­te, volks­freund­li­che Poli­ti­ker, die auch für die regel­mä­ßig in Hass umschla­gen­de Xeno­pho­bie ihres Vol­kes ein offe­nes Ohr haben, kümmern sich eben um bei­des: Um die Migra­ti­on und die Leben­dig­keit eines patrio­ti­schen Herr-im-Haus-Stand­punkts, der mit Migra­ti­on immer so schlecht zurecht­kommt. Für bei­des haben sie ihre Grün­de.

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